Ein Rennen um was? Antizipation und Beschleunigung in den Arbeits- und Karrierepraktiken von Postdocs in den akademischen Lebenswissenschaften
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-15.3.2245Schlagworte:
akademische Karriere, Lebenswissenschaften, Postdocs, Antizipation, Beschleunigung, Individualisierung, unternehmerisches Selbst, Slow Science, Interviews, Hochschulpolitik, Wissenschafts- und TechnologiepolitikAbstract
Im Zuge der Umgestaltung akademischer Institutionen durch das sogenannte "New Public Management" haben sich die Zeitlichkeiten wissenschaftlicher Arbeit entscheidend verändert. Als eine Kernveränderung wird häufig eine zunehmende Beschleunigung des Arbeitstempos genannt. Empirische Detailstudien zu diesem Phänomen, seinen Praktiken und Wirkungen, gibt es bis jetzt allerdings kaum. Anhand von qualitativen Interviews mit 38 lebenswissenschaftlichen Postdocs in Österreich untersuche ich in diesem Artikel, wie diese ForscherInnen die Zeitlichkeiten ihrer Arbeits- und Karrierepraktiken in akademischen Institutionen erleben. Postdocs sind Veränderungen und neuen Ansprüchen im akademischen System besonders stark ausgesetzt, da sie meistens institutionell fragile Positionen bekleiden, während sie auf eine längerfristige wissenschaftliche Laufbahn hinarbeiten. Ihre Erzählungen über Arbeits- und Karrierepraktiken sind davon geprägt, dass sie sich in einem hoch kompetitiven Wettrennen mit einer Vielzahl anderer WissenschafterInnen erleben; einem Wettrennen, das eine kontinuierliche Steigerung ihrer Arbeitstempos verlangt sowie eine Fokussierung auf individuelle Leistung. Aufbauend auf gegenwärtigen Arbeiten zu Antizipation (ADAMS, MURPHY & CLARKE 2009), Beschleunigung (ROSA 2003) und dem "unternehmerischen Selbst" (BRÖCKLING, 2007), entwickle ich die Konzepte der antizipativen Beschleunigung und der latenten Individualisierung, um analytisch zu fassen, wie Postdocs in den Lebenswissenschaften die Zeitlichkeiten ihrer Arbeits- und Karrierepraktiken beschreiben. Abschließend diskutiere ich mögliche Auswirkungen dieser spezifischen zeitlichen Orientierungen auf die Inhalte und Formen akademischer Wissensproduktion und frage, inwiefern Konzepte und Bewegungen wie Slow Science helfen können, die Effekte und Probleme bestimmter Formen von Beschleunigung und Antizipation innerhalb der akademischen Gemeinschaft zu adressieren.
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