Das integrierte (Dys-) Funktionalitäts-Modell: Rekonstruktion von Mustern der virtuellen Selbstmedikation in biografischen Interviews mit Computerspielabhängigen

Autor/innen

  • Paula Bleckmann Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.
  • Nadine Jukschat Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-16.3.2276

Schlagworte:

Internet Gaming Disorder, Computerspielabhängigkeit, Grounded-Theory-Methodologie, qualitative Interviews, Funktionalität süchtigen Spielverhaltens

Abstract

Ziel des Projekts, über das in diesem Beitrag berichtet wird, ist die Generierung einer auf umfassendem qualitativem Datenmaterial beruhenden Theorie ausufernder, problematischer Computerspielpraxis und deren Vergleich zu bestehenden Theorien. Analysiert wurden hierfür unter Anwendung hermeneutischer Analyseverfahren sowie der Grounded-Theory-Methodologie die Transkripte von 125 Stunden biografischer Interviews mit 29 männlichen und 13 weiblichen 16-44-Jährigen, die laut Vorab-Screening (ehemals) computerspielsüchtig waren.

Das von uns entwickelte integrierte (Dys-) Funktionalitäts-Modell zeigt insofern eine Dysfunktionalität der Computerspielpraxis auf, als durch diese Praxis die Erfüllung verschiedener in der realtweltlichen Biografie bedeutsamer Sehnsüchte behindert wird, nämlich nach Erfolg, nach Zugehörigkeit und nach Autonomie. Dieselbe Praxis ist zugleich funktional im Sinne einer Passung zu dem jeweils dominierenden (Sehn-) Suchtsmuster. Unser Modell integriert somit zwei scheinbar unversöhnliche Forschungstraditionen: Das Sucht-/Krankheits-Modell der medizinisch-psychologischen Forschungstradition untersucht die Dysfunktionalität der Spielpraxis bei "pathologischen" Computerspieler/innen. Die Game Studies dagegen fokussieren die Funktionalität der Spielpraxis und leiten aus Spielmotiven Computerspieler/innentypologien ab. Wir bringen den biografischen Kontext in die Game Studies hinein bzw. die subjektiven Spielmotive in die Suchtforschung und können so zeigen, dass Computerspieler/innen, deren Leben vom Spiel dominiert wird, durch ihre Spielpraxis eine virtuelle Selbstmedikation ihrer unerfüllten Sehnsüchte bei deren gleichzeitig andauernder realweltlicher Nichterfüllung betreiben. Dass eine solche Spielpraxis "kompensatorisch" ist, bedeutet gerade nicht, dass sie per se unproblematisch oder "nicht-süchtig" sei.

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs150387

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Autor/innen-Biografien

Paula Bleckmann, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.

Paula BLECKMANN received a PhD in media education from University of Bremen. She is currently leading the subdivision on prevention in a research project about Internet and computer gaming addiction at the Criminological Research Institute of Lower Saxony (KFN). The project is funded by the Lower Saxony State Ministry for Science and Culture. She recently completed her habilitation at Freiburg University of Education. Her research interests include socio-scientific investigation of technological addictions, with a focus on coping and relapses, the developmental importance of play and creative leisure activities, health promotion and media education concepts for children.

Nadine Jukschat, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.

Nadine JUKSCHAT has a Magister (master in cultural studies) in cultural studies. She has been awarded a full PhD scholarship to work on a research project about internet and computer gaming addiction at the KFN. Her research interests include socio-scientific investigation of excessive video game behavior and video game addiction, biographical research and reconstructive social research.

Veröffentlicht

2015-07-28

Zitationsvorschlag

Bleckmann, P., & Jukschat, N. (2015). Das integrierte (Dys-) Funktionalitäts-Modell: Rekonstruktion von Mustern der virtuellen Selbstmedikation in biografischen Interviews mit Computerspielabhängigen. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 16(3). https://doi.org/10.17169/fqs-16.3.2276

Ausgabe

Rubrik

Einzelbeiträge