Das integrierte (Dys-) Funktionalitäts-Modell: Rekonstruktion von Mustern der virtuellen Selbstmedikation in biografischen Interviews mit Computerspielabhängigen
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-16.3.2276Schlagworte:
Internet Gaming Disorder, Computerspielabhängigkeit, Grounded-Theory-Methodologie, qualitative Interviews, Funktionalität süchtigen SpielverhaltensAbstract
Ziel des Projekts, über das in diesem Beitrag berichtet wird, ist die Generierung einer auf umfassendem qualitativem Datenmaterial beruhenden Theorie ausufernder, problematischer Computerspielpraxis und deren Vergleich zu bestehenden Theorien. Analysiert wurden hierfür unter Anwendung hermeneutischer Analyseverfahren sowie der Grounded-Theory-Methodologie die Transkripte von 125 Stunden biografischer Interviews mit 29 männlichen und 13 weiblichen 16-44-Jährigen, die laut Vorab-Screening (ehemals) computerspielsüchtig waren.
Das von uns entwickelte integrierte (Dys-) Funktionalitäts-Modell zeigt insofern eine Dysfunktionalität der Computerspielpraxis auf, als durch diese Praxis die Erfüllung verschiedener in der realtweltlichen Biografie bedeutsamer Sehnsüchte behindert wird, nämlich nach Erfolg, nach Zugehörigkeit und nach Autonomie. Dieselbe Praxis ist zugleich funktional im Sinne einer Passung zu dem jeweils dominierenden (Sehn-) Suchtsmuster. Unser Modell integriert somit zwei scheinbar unversöhnliche Forschungstraditionen: Das Sucht-/Krankheits-Modell der medizinisch-psychologischen Forschungstradition untersucht die Dysfunktionalität der Spielpraxis bei "pathologischen" Computerspieler/innen. Die Game Studies dagegen fokussieren die Funktionalität der Spielpraxis und leiten aus Spielmotiven Computerspieler/innentypologien ab. Wir bringen den biografischen Kontext in die Game Studies hinein bzw. die subjektiven Spielmotive in die Suchtforschung und können so zeigen, dass Computerspieler/innen, deren Leben vom Spiel dominiert wird, durch ihre Spielpraxis eine virtuelle Selbstmedikation ihrer unerfüllten Sehnsüchte bei deren gleichzeitig andauernder realweltlicher Nichterfüllung betreiben. Dass eine solche Spielpraxis "kompensatorisch" ist, bedeutet gerade nicht, dass sie per se unproblematisch oder "nicht-süchtig" sei.
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