Superponderabilien: der Übermacht des eigenen Denkens entkommen
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-17.2.2497Schlagworte:
Imponderabilien, Superponderabilien, qualitative Forschung in der eigenen Kultur, wechselseitige partizipative Beobachtung, wechselseitige "Einweihung", Ethnografie als Debatte, ReflexivitätAbstract
In diesem Beitrag befassen wir uns mit einer zentralen methodologischen Herausforderung qualitativer Forschung in der eigenen Kultur: der Übermacht des eigenen Denkens. Während MALINOWSKIs Sorge Imponderabilien galt, d.h. der Gefahr, subtile Phänomene des alltäglichen Lebens in einer fremden Kultur zu übergehen, eine Sorge, die auch Generationen von Ethnolog/innen und qualitativen Forscher/innen geteilt haben, die sich der eigenen Kultur zuwandten, interessieren uns Superponderabilien, d.h. Risiken, offenbar vertraute Konzepte und Praktiken zu überforschen. Wie befassen wir uns als qualitative Forscher/innen mit uns sehr vertrauten Phänomenen wie Wissenschaft, Bürokratie, Management usw., ohne unsere eigenen Ideen in den trügerisch vertrauten Vorstellungen der von uns beforschten Personen "wiederzufinden"? Dies zu reflektieren ist ohne Frage von hervorgehobener Bedeutung für die stetig wachsende Zahl an Wissenschaftler/innen, die untersuchen, wie andere Menschen in einer Weise reden, denken und arbeiten, die der eigenen sehr ähnlich ist. Während bisherige Auseinandersetzungen mit dieser Thematik vor allem verschiedene Reflexionswerkzeuge an die Hand zu geben versuchen, schlagen wir die "wechselseitige partizipative Beobachtung" als einen Weg vor, der Übermacht des eigenen Denkens zu entgehen – ein Vorgehensweise, die unsere Forschungsgegenüber in situ einlädt, an unserem Denken teilzuhaben. Im Sinne dieses Verständnisses ist qualitative Forschung weniger ein reflexives "Entziffern" denn eine aktive Debatte, in der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Forschenden und Beforschten gemeinsam sichtbar gemacht und eruiert werden können.
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