Ethikbegutachtung in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung? Ein Debattenbeitrag aus soziologischer und ethnologischer Sicht

Autor/innen

  • Hella von Unger Ludwigs-Maximilians-Universität München
  • Hansjörg Dilger Freie Universität Berlin
  • Michael Schönhuth Universität Trier

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-17.3.2719

Schlagworte:

Ethikkommissio­nen, Ethnografie, Ethnologie, Forschungsethik, informierte Einwilligung, Soziologie

Abstract

Forschungsethik wird in den deutschsprachigen Sozial- und Kulturwissenschaften zunehmend zum Thema. Zum einen reflektieren empirisch Forschende vermehrt ethische Fragen, die sich in ihrer Forschungspraxis stellen. Zum anderen wird auf wissenschaftspolitischer Ebene diskutiert, Ethics Reviews, d.h. Begutachtungen von Forschungsvorhaben durch Ethikkommissionen, nun auch in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland verstärkt einzuführen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Forschende, die in englischsprachigen Journals publizieren oder internationale Fördermittel einwerben möchten, zunehmend aufgefordert sind, eine ethische Unbedenklichkeitsbescheinigung bezüglich ihrer empirischen Forschung vorzulegen. Ethics Reviews sind international insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum üblich, werden dort jedoch durch qualitativ Forschende teilweise scharf kritisiert. Im Mittelpunkt der Kritik stehen neben dem hohen bürokratischen Aufwand vor allem die mangelnde Passfähigkeit der Prinzipien und Prüfverfahren für die qualitative Forschung und die negativen Folgen der institutionalisierten Prüfverfahren für die Freiheit, Qualität und methodologische Vielfalt sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung. Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die aktuellen Entwicklungen in Deutschland einschätzen? Anlässlich eines interdisziplinären Symposiums zum Thema "Forschungsethik und ethnografische Feldforschung" kommentieren wir die Entwicklungen in Deutschland aus ethnologischer und soziologischer Perspektive. Wir sprechen uns für eine institutionelle Verankerung des Themas aus und unterstützen die Entwicklung von Strukturen der forschungsethischen Begutachtung, sofern diese freiwillig bleiben und die methodische Vielfalt der Sozial- und Kulturwissenschaften sowie die Besonderheiten ethnografischer und explorativer Studien angemessen berücksichtigen. Aus der Perspektive qualitativ Forschender kommt der Förderung methodologischer und forschungsethischer Reflexivität in Forschung und Lehre jedoch grundsätzlich weit höhere Relevanz zu als der Einrichtung von institutionalisierten Begutachtungsverfahren.

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1603203

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Autor/innen-Biografien

Hella von Unger, Ludwigs-Maximilians-Universität München

Hella VON UNGER, Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Mitglied des Vorstands der Sektion Qualitative Methoden der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) (2016-2018) und Mitglied der Arbeitsgruppe "Forschungsethik" des Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) (2015-2017).

Hansjörg Dilger, Freie Universität Berlin

Hansjörg DILGER,Professor für Sozial- und Kulturanthropologie mit den Schwerpunkten Medizin- und Religionsethnologie an der Freien Universität Berlin. Seit 2015 Vorsitzender des Fachverbands Ethologie, der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV), und von 2004 bis 2010 Sprecher der Arbeitsgruppe Medical Anthropology in der DGV. Co-Moderator des Blogs Medizinethnologie: Körper, Gesundheit und Heilung in einer vernetzten Welt.

Michael Schönhuth, Universität Trier

Michael SCHÖNHUTH, Professor für Ethnologie mit den Schwerpunkten Kultur und Entwicklung, partizipative Methoden, Wirkungs- und Netzwerkforschung an der Universität Trier. Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der AG Entwicklungsethnologie, berät seit vielen Jahren Kultur-, Entwicklungs- und Regierungsinstitutionen sowie das International Network for Social Network Analysis (INSNA) im Bereich der Forschungsethik.

Veröffentlicht

2016-09-23

Zitationsvorschlag

von Unger, H., Dilger, H., & Schönhuth, M. (2016). Ethikbegutachtung in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung? Ein Debattenbeitrag aus soziologischer und ethnologischer Sicht. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 17(3). https://doi.org/10.17169/fqs-17.3.2719

Ausgabe

Rubrik

FQS-Debatte: Qualitative Forschung und Ethik