Über Trennungen erzählen: zur Milieuspezifik von Trennungslegitimationen und narrativen Identitäten
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-20.1.3078Schlagworte:
Trennung, Trennungserzählungen, Interviews, narrative Analyse, Positionierungsanalyse, integratives Basisverfahren, narrative Identität, Plausibilisierungsstrategien, Milieu, Kultur des Therapeutischen, Psychologisierung, Performanz, RepräsentanzAbstract
Trotz der gesellschaftlichen Normalisierung und moralischen Entproblematisierung von Trennung und Scheidung stellen diese für die Betroffenen für gewöhnlich alles andere als normale, unproblematische Ereignisse dar. Das Geschehen muss geordnet, die Trennung legitimiert und die eigene Identität rehabilitiert werden, was zu auffälligen Erzähldynamiken in Interviews der qualitativen Trennungsforschung führen kann. Neben der Analyse des Zusammenhangs von Form, Inhalt und Funktion von Trennungserzählungen konnte die bisherige Forschung auch einige soziale Differenzierungen aufzeigen: nach Rolle, Geschlecht und sozialstrukturellen Faktoren. Auf Basis einer narrativen, funktionalen Analyse von 46 Interviews (23 Ex-Paare) aus unserer Studie "Paare nach der Trennung" fügen wir als weitere, übergeordnete Differenzierung die Milieuunterscheidung hinzu, die in der Forschung zu Trennungsnarrativen bislang unbeachtet war und die die bisherigen Differenzierungen integriert. Unser Argument, dass Trennungsnarrative milieuspezifisch gestaltet sind, exemplifizieren wir anhand zweier kontrastiver Milieus: dem individualisierten und dem traditionalen Milieu. Diese unterscheiden sich in fundamentaler Weise in ihren Beziehungsleitbildern und entsprechenden Trennungslegitimationen, in ihren Plausibilisierungsstrategien und in ihrer Vorstellung dessen, was als erstrebenswerte Identität gilt. Über den konkreten Gegenstand von Trennungen und Trennungserzählungen hinaus weisen wir in diesem Beitrag auf zwei für die qualitative Forschung wichtige Aspekte hin: die Milieudifferenzierung und das Verhältnis von Performanz und Repräsentanz in Interviews.
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