Evidenzprobleme in der Ethnografie. Eine methodologische Reflexion der Goffman-Mead-Kontroverse (und ein Vorschlag für Faustregeln)

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-22.1.3567

Schlagworte:

Alice Goffman, Margaret Mead, direkte Beobachtung, ethnografische Evidenz, methodologische Faustregeln

Abstract

Der Streit um die ethnografische Autorität wurde in der postfaktischen Ära rund um die Frage der Glaubwürdigkeit ethnografischer Evidenz entfacht. Deren Infragestellung wird meist als Konsequenz aus postmodernem Relativismus, verbunden mit politischem Opportunismus und dem sozialen Impact des Internets diskutiert. Aus meiner Perspektive verweist die Frage nach ethnografischer Evidenz aber auf ein älteres und bisher ungelöstes methodologisches Problem, das entsteht, weil 1. die einzigartigen Beobachtungen von Ethnograf*innen schwer mit dem wissenschaftlichen Ideal der Replizierbarkeit vereinbar sind, es aber offen bleibt, wie diese Beobachtungen auf andere Weise gestützt werden könnten, und weil 2. soziale Nähe zu den untersuchten Gemeinschaften Voraussetzung für direkte Beobachtungen ist, aber wie soll die mit dem Ideal einer Verifikation durch Außenstehende verbunden werden? Und 3. werden Fakten als zentral für die Glaubwürdigkeit dichter Beschreibungen angenommen, aber geht es überhaupt, interessante Ethnografien zu schreiben, ohne auch auf ein fiktives Instrumentarium zurückzugreifen? Mit den hier skizzierten Herausforderungen setze ich mich am Beispiel zweier ethnografischer Kontroversen auseinander, zum einen ausgehend von Margaret MEADs "Coming of Age in Samoa" (1973 [1928]) und zum anderen von Alice GOFFMANs "On the Run. Fugitive Life in an American City" (2014). Ich schließe mit dem Vorschlag einiger methodologischer Faustregeln für ethnografische Forschung im 21. Jahrhunderts, die (hoffentlich) sowohl effektiv als auch überzeugend sind.

Downloads

Keine Nutzungsdaten vorhanden.

Autor/innen-Biografie

Joost Beuving, Radboud University Nijmegen

Joost BEUVING is a lecturer and senior researcher in anthropology and development studies. His research interests are in the sociology of everyday economic life and in qualitative research methodology. He conducts ethnographic fieldwork in various places in Africa and Europe. With Dr. Geert DE VRIES, he published "Doing Qualitative Research. The Craft of Naturalistic Inquiry" (2015, Amsterdam: Amsterdam University Press).

Veröffentlicht

2020-12-15

Zitationsvorschlag

Beuving, J. (2020). Evidenzprobleme in der Ethnografie. Eine methodologische Reflexion der Goffman-Mead-Kontroverse (und ein Vorschlag für Faustregeln). Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 22(1). https://doi.org/10.17169/fqs-22.1.3567

Ausgabe

Rubrik

Einzelbeiträge