Gerichtsakten als Daten soziologischer Familienforschung: Methodologie und Methode für ein noch wenig erschlossenes Datenmaterial

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-22.3.3649

Schlagworte:

nicht-reaktive Daten, qualitative Akten­analyse, Doku­men­tenanalyse, Familiensoziologie, Gerichtsakten

Abstract

Gerichtsakten stellen ein methodisch noch wenig bearbeitetes Feld der qualitativen Sozialforschung dar. In diesem Beitrag explorieren wir Methodologie und Methode von Gerichtsakten als Datenmaterial für die soziologische Familienforschung. Ausgehend von der Erhebung von 70 Scheidungs- und Pflegschaftsakten aus den Jahren 1976 bis 2019 diskutieren wir drei zentrale methodologische Bereiche in der Forschung mit Familiengerichtsakten: Wir beleuchten 1. epistemologische Aspekte aus der Perspektive einer praxeologischen Familiensoziologie. 2. analysieren wir forschungspraktische Aspekte wie Gatekeeping-Prozesse bezüglich Feldzugang und Datenerhebung und diskutieren 3. die Analyseeinheit von Gerichtsakten. Darauf aufbauend schlagen wir einen neuen methodischen Zugang für die qualitative Aktenanalyse in der soziologischen Familienforschung vor: die multiple Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive, mittels derer Gerichtsakten als Verschränkung von Recht und Familie untersucht werden können. Analytisch fragen wir, von, mit und für wen Familiengerichtsakten produziert werden. Der vorgeschlagene methodische Zugang ermöglicht es, Familiengerichtsakten gleichsam als durch ein UnDoing Family erzeugt und ein UnDoing Family erzeugend zu betrachten. Abschließend plädieren wir für eine pragmatisch orientierte methodologische Zugangsweise. Die Vielfalt der qualitativen Methodologie kann so zu einer fruchtbaren Grundlage für die weitere Erschließung von Gerichtsakten als Datenquelle werden.

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Autor/innen-Biografien

Viktoria Parisot, Universität Wien

Viktoria PARISOT, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrende am Institut für Soziologie der Universität Wien. Derzeit ist sie Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC-team). Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Familiensoziologie, wo sie aktuell qualitativ zu familialen und rechtlichen Praktiken im Kontext von Trennung, Scheidung und Nachscheidungsfamilien forscht.

Marlies Zuccato-Doutlik, Universität Wien

Lic. Marlies ZUCCATO-DOUTLIK, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrende am Institut für Soziologie der Universität Wien seit 2017 und Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC-team) seit 2019. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Scheidung, Kindeswohl und Elternschaft im Diskurs von Pflegschaftsverfahren. Ihr methodischer Zugang ist einerseits die partizipative Forschung mit Kindern und andererseits die Forschung mit Dokumenten aus Familiengerichtsverfahren und deren Relevanz für die Familiensoziologie.

Ulrike Zartler, Universität Wien

Assoz. Prof.in Mag.a Dr.in Ulrike ZARTLER, PD, ist assoziierte Professorin für Familiensoziologie am Institut für Soziologie der Universität Wien. Ihre Schwerpunkte sind Familien-, Kindheits- und Jugendsoziologie, Transitionen im Lebensverlauf, Scheidung und Nachscheidungsfamilien, Medien in Familien, Online-Zivilcourage von Jugendlichen sowie der Familienalltag während der Corona-Pandemie.

Veröffentlicht

2021-09-29

Zitationsvorschlag

Parisot, V., Zuccato-Doutlik, M., & Zartler, U. (2021). Gerichtsakten als Daten soziologischer Familienforschung: Methodologie und Methode für ein noch wenig erschlossenes Datenmaterial. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 22(3). https://doi.org/10.17169/fqs-22.3.3649