Zum politischen Anspruch der Oral History. Über das epistemische Schweigen und die ontologische Taubheit der Mehrheitsgesellschaft
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-22.2.3745Schlagworte:
Oral History, Framing, epistemic injustice, Biografieforschung, othering, subaltern studies, Roma-Genozid, niederländische Kolonialgeschichte, UngarnAbstract
Zuhören ist die Kunst derer, die Oral History ausüben. Doch hören wir, was uns erzählt wird? Und können wir die Stimmen jener, die wir interviewt haben, adäquat (re)präsentieren? Dieser implizite politische Anspruch der Oral History wird in diesem Artikel mithilfe empirischer Fallstudien kritisch befragt. Anhand von Interviewsammlungen zur niederländischen (post)kolonialen Geschichte und zur Geschichte der ungarischen Roma wird gezeigt, wie das zu untersuchende gesellschaftliche Phänomen bereits in der Forschungssituation selbst sichtbar wurde, dass nämlich Lebenserzählungen marginalisierter Randgruppen stets auch von der Wissensproduktion der Mehrheitsgesellschaft abhängig waren. Wir untersuchen die Dynamik zwischen den Interviewer*innen und den Interviewten, um zu verdeutlichen, welches Framing es uns erlaubt, Stimmen (nicht) zu hören, und wir analysieren damit das epistemische Schweigen und die ontologische "Taubheit" einer Gesellschaft. Als Resümee werden alternative methodische Zugangsweisen aufgezeigt und es wird dafür plädiert, dass partizipative Forschung auch epistemische Forschung sein muss. Unser zentrales Anliegen ist es nicht, das "Fremde", sondern das "Eigene" und dessen ontologische Ausschlussmechanismen deutlicher zu markieren und als wichtiges zukünftiges Forschungsfeld auf die Agenda zu setzen.
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