Reanalysieren qualitativer Interviews aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Das Risiko der Dekontextualisierung und andere Probleme der Sekundärnutzung qualitativer Daten
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-6.1.499Schlagworte:
Sekundäranalyse, qualitative Interviews, Diskursanalyse, Konversationsanalyse, Kontextualisierung, MethodologieAbstract
Qualitative Interviews werden im Unterschied zu Survey-Interviews selten reanalysiert. Neben offensichtlichen Gründen der Behinderung von Sekundäranalysen durch z.B. das Betonen des Eigentums an Daten – und insbesondere einer individualistischen Kultur der Eigentumswahrung – ist auch ein methodologischer Skeptizismus verbreitet. In diesem Beitrag möchte ich für einen Datenaustausch für Sekundäranalysen plädieren. Diese Fürsprache basiert teilweise auf – und ist inspiriert von – der Diskussion während der Vorbereitung eines Gemeinschaftsprojektes von dreizehn Forschern und Forscherinnen, die eingeladen wurden, den gleichen Satz von Interviews jeweils aus ihrem eigenen theoretisch-methodologischen Blickwinkel zu analysieren (VAN DEN BERG, WETHERELL & HOUTKOOP-STEENSTRA, 2003). In dieser Diskussion wurden verschiedene methodologische Argumente gegen die Durchführung von Sekundäranalyse vorgebracht. Mit einigen dieser Argumente werde ich mich auseinandersetzen, insbesondere mit den Zweifeln an der Nützlichkeit von Sekundäranalysen und den angenommenen Risiken der Dekontextualisierung: Ist eine Sekundäranalyse ohne detailliertes Kontextwissen möglich? Es werden unterschiedliche theoretische und methodologische Positionen geprüft, die sich auf die Kontextualisierung des Interviewdialogs beziehen. Einerseits argumentiere ich gegen die Tendenz der Einziehung eines immer weiteren sozialen und historischen Kontextes in die Diskursanalyse von Interviews, die dem Risiko eines spekulativen Theoretisierens als Rahmen für die Interviewinterpretation ausgesetzt ist. Andererseits glaube ich nicht, dass die Vernachlässigung jedweden sozialen Kontextes jenseits des Interviews – wie sie in einigen Formulierungen der Konversationsanalyse vertreten werden – fruchtbar oder gar möglich ist. Diese Vernachlässigung birgt das Risiko eines abstrakten Empirismus. Mein Hauptargument besteht darin, dass Art und Ausmaß der für eine Diskursanalyse notwendigen Kontextualisierung von Interviewdaten von den Forschungszielen und der Beschaffenheit der Daten abhängig gemacht werden sollte. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0501305Downloads
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Veröffentlicht
2005-01-31
Zitationsvorschlag
Van den Berg, H. (2005). Reanalysieren qualitativer Interviews aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Das Risiko der Dekontextualisierung und andere Probleme der Sekundärnutzung qualitativer Daten. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 6(1). https://doi.org/10.17169/fqs-6.1.499
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Rubrik
Zur Bedeutung des Kontexts bei der Sekundäranalyse qualitativer Daten
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Copyright (c) 2005 Harry Van den Berg
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