Review: Petra Fosen-Schlichtinger (2002). Über die gesellschaftspolitische Bedeutung von Pränataldiagnostik und künstlicher Befruchtung

Autor/innen

  • Torsten Junge

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-6.1.539

Schlagworte:

Pränataldiagnostik, Individualisierung, Familiensoziologie, Behinderung, Reproduktionstechnologien, Experteninterviews

Abstract

Der vorliegende Band widmet sich den Verhältnissen von Reproduktionsmedizin, Nachkommenschaft und der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Behinderung. Familie und Kinder sind unter der gesellschaftlichen Modernisierung zu einem Projekt der individuellen Lebensplanung geworden. Ein Kind verspricht einen bestimmten gesellschaftlichen Status meist dann, wenn es als wettbewerbsfähiges Kind dem Ideal der Gesellschaft entspricht. Das besondere, nämlich behinderte Kind stellt die Eltern und die Umgebung aufgrund seiner Besonderheit hingegen vor unterschiedlichste Barrieren und Herausforderungen. Dabei ist das gesellschaftliche Klima dem Umgang mit Behinderung nicht ausreichend förderlich. Die medizintechnischen Möglichkeiten wie die Pränatalmedizin oder die künstliche Befruchtung erweisen sich als Möglichkeiten, an der individuellen "Gestaltbarkeit" der eigenen Nachkommenschaft aktiv teilzuhaben und bestimmte, gesellschaftlich unerwünschte Faktoren wie Behinderung auszuschalten. Durch diesen Komplex an medizintechnischen Möglichkeiten, gesellschaftspolitischen Ansprüchen und der individuellen Lebensplanung wird der Prozess der Schwangerschaft ein technisch regulierter und mit sozialen Distinktionen unterworfener Weg. Das Buch versucht mittels einer sozialphilosophischen, modernisierungstheoretischen und psychoanalytischen Erörterung die historischen, politischen kulturellen Kontexte von Schwangerschaft, Geburt und Nachkommenschaft speziell der modernen Gesellschaften zu umreißen und für eine Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse fruchtbar zu machen. Die theoretische Seite wird ergänzt durch die Beschreibung der medizintechnischen Verfahren, ihrer Risiken und Potentiale. Abschließend wird diese praktische Seite durch Interviews mit Ärzten und Ärztinnen aus der Reproduktionsmedizin gestärkt. Diese Vielzahl von verschiedenen Elementen der Studie ist nicht immer auf den ersten Blick einordbar, eine stärkere und übersichtlichere Gliederung wäre wünschenswert gewesen. Trotz dieser kleinen Schwächen bietet der Band alles in allem einen informativen Überblick über die Rolle und Bedeutung reproduktionsmedizinischer Verfahren der spezifischen gesellschaftlichen Kontexte. URN: urn:nbn:de:0114-fqs050175

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Autor/innen-Biografie

Torsten Junge

Torsten JUNGE ist derzeit Stipendiat der Grünen Akademie im Themenschwerpunkt "Verfaßtheit der Wissensgesellschaft" und promoviert zur politischen Partizipation am Beispiel von Bürgerkonferenzen. In einer früheren Ausgabe findet sich ein Besprechung von JUNGE zu "Jörg Maas (1999). Identität und Stigma-Management von homosexuellen Führungsgruppen" (http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-01/2-01review-junge-d.htm).

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Veröffentlicht

2005-01-31

Zitationsvorschlag

Junge, T. (2005). Review: Petra Fosen-Schlichtinger (2002). Über die gesellschaftspolitische Bedeutung von Pränataldiagnostik und künstlicher Befruchtung. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 6(1). https://doi.org/10.17169/fqs-6.1.539