Qualitative Film-Analyse: Kulturelle Prozesse im Spiegel des Films

Autor/innen

  • Gloria Dahl Universität zu Köln

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-5.2.593

Schlagworte:

morphologische Filmanalyse, Kulturpsychologie, Komplexentwicklung, Märchenkonstruktion, Verwandlungsproblem, Zwang und Freiheit, Einheitsbildung, Ambivalenz, Paranoia

Abstract

Am Psychologischen Institut der Universität zu Köln wird seit mehr als 40 Jahren eine spezifische qualitative Form der Film-Analyse, die von Wilhelm SALBER entwickelt wurde, angewandt. Film-Analyse ist dabei nicht Selbstzweck, sondern dient zugleich der Erforschung kultureller Zusammenhänge. Filme erscheinen insofern als Seismografen kultureller Tendenzen, als sie allgemeine Visionen und Bilder zukünftiger Entwicklung zum Ausdruck bringen. Sie zeigen sowohl den Zustand der Gesellschaft in seiner Entstehung und Komplexität als auch Entwicklungsperspektiven auf, die über Krisen, Verengungen des Spielraums und immanente Selbstheilungskräfte Aufschluss geben. Ähnlich wie bei der Traumdeutung wird die "manifeste" Film-Erzählung mit den Einfällen und eingehenden Beschreibungen der Zuschauer in Austausch gebracht, um die "latente" so genannte Komplexentwicklung, den Verlauf psychologischer Entwicklungslinien, zu rekonstruieren. Suspense und das Gefesseltsein der Zuschauer basiert darauf, dass eine bedeutungsvolle Verwandlungserfahrung aktiviert wird – nur Filme, denen es gelingt, solch einen Prozess anzustoßen, berühren die Zuschauer. Die psychologische Analyse arbeitet die morphologische Dramaturgie des Filmerlebens heraus, welche in ihrer besonderen dynamischen Figur ausgestaltet wird. Paradoxe unlösbare Problem-Konstellationen sind die treibenden Kräfte in diesem bewegenden Prozess. Die bloße Untersuchung des Drehbuchs oder der Film-Story berücksichtigt nicht, dass der Zuschauer stets Teil der Szene ist. Zuschauer modifizieren die Story in einer charakteristischen Weise, während sie den Film betrachten – entsprechend der Dynamik des psychologischen Prozesses, den sie durchmachen. Ein Zusammenspiel, eine Mischung aus Mitgehen und beobachtender Distanz, welche jeden wirkungsvollen Prozess – sei es in Psychotherapie, Werbung oder Erziehung – kennzeichnet, ist stets am Werk. Da die signifikanten Faktoren unbewusst wirksam sind, ist es notwendig, eine spezifische qualitative Methode anzuwenden, um in der Lage zu sein, diesen vielschichtigen Prozess adäquat zu erfassen. Kurze beispielhafte Analysen der Filme Das Piano, Fight Club, Dogville, Punch-Drunk Love, Catch Me If You Can, The Hours, City of God, Hero und Chihiros Reise ins Zauberland sollen einen Eindruck von der Vorgehensweise geben und demonstrieren, wie qualitative Film-Analyse zum Verstehen kultureller Prozesse beitragen kann. Außerdem wird exemplarisch Einblick in die Arbeit mit Märchenkonstruktionen gegeben. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0402271

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Autor/innen-Biografie

Gloria Dahl, Universität zu Köln

Dr. Gloria DAHL, Diplom-Psychologin. Seit 1982 als Psychotherapeutin und Supervisorin, auch in der Marktforschung und Unternehmensberatung, tätig. Seit 1983 am Psychologischen Institut der Universität zu Köln tätig, bis 1988 als wissenschaftliche Mitarbeiterin, danach mit Lehrauftrag und als Dozentin, Supervisorin und Lehrbehandlerin im Rahmen der universitären Psychotherapie-Ausbildung in Analytischer Intensivberatung. Arbeitschwerpunkt: Klinische Psychologie, Kunst- und Medienpsychologie, Traumdeutung, Entwicklungspsychologie.

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Veröffentlicht

2004-05-31

Zitationsvorschlag

Dahl, G. (2004). Qualitative Film-Analyse: Kulturelle Prozesse im Spiegel des Films. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 5(2). https://doi.org/10.17169/fqs-5.2.593