Leila: Dissoziative (Medien-) Interaktion und Lebensweg einer jungen Erwachsenen. Eine (medien-) biografische und psychotraumatologische Fallstudie
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-4.3.681Schlagworte:
Sozialforschung, Lese- und Medienforschung, Narrationsanalyse, Biografieforschung, Psychoanalyse, Psychotraumatologie, Dissoziation, Übertragung, HolocaustAbstract
Vor dem Hintergrund von theoretischen Korrespondenzen und methodischen Synergien zwischen der qualitativ-soziologischen Narrationsanalyse und dem Erzählbegriff der neueren Psycho- und Beziehungsanalysen sowie der Psychotraumatologie wird das Desiderat eines interdisziplinären handlungstheoretischen Modells von narrativen Prozessen formuliert, das auch für Medien- und Kulturwissenschaften anschließbar ist. Die exemplarische narrativ-biografische Fallstudie untersucht die Interview-Erzählung der Abiturientin Leila, die aktiv und kompetent am schulischen und kulturellen Leben teilnimmt, hinsichtlich ihrer Lebensgeschichte und ihres Medienrezeptionsverhaltens. Psychotraumatologisch beschreibbare Belastungsfaktoren der früh zerrütteten und gewaltlatenten Elternbeziehung und einer auch in der Jetztzeit nicht spannungsfreien Familiensituation werden vor dem Hintergrund einer bis in die Zeit des Nationalsozialismus reichenden familiären Dreigenerationen-Dynamik sichtbar. Während Leilas Vater von irakisch-iranischer Herkunft ist, stammt ihre Mutter von einer vormals gut situierten Königsberger Bürgerfamilie ab, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Norddeutschland geflohen war. Die historischen Täter- bzw. Opferaffiliationen der Familie stellen sich in der Präsentation auf unklare Weise dar. Diese verschiedenen psychotraumatologischen Belastungsfaktoren schlagen sich bei Leila zum einen in psychoaffektiven Wahrnehmungs-, Narrations- und Medienhandlungsmustern nieder, die auf dissoziative psychische Dynamiken schließen lassen. Diese werden sowohl in ihrem aktuellen Erzählmodus in der Interviewsituation als auch in der Rekonstruktion ihrer Fernseh- und Lektürenutzung deutlich gemacht. Zum anderen führen die psychotraumatologischen Belastungsfaktoren in Leilas gegenwärtigem sozialen Leben dazu, dass zentrale Freundschaftsbeziehungen ein rekurrentes (projektiv-identifizierendes) Konflikt- und Gewaltgeschehen aufweisen und dass sie in ihrer engagierten schulischen Arbeit einen Misserfolg erleidet. Eine korrespondierende Konfliktdynamik ist auch im (Gegen-) Übertragungsgeschehen zwischen Leila und dem männlichen der beiden InterviewerInnen erkennbar. URN: urn:nbn:de:0114-fqs030399Downloads
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Veröffentlicht
2003-09-30
Zitationsvorschlag
Weilnböck, H. (2003). Leila: Dissoziative (Medien-) Interaktion und Lebensweg einer jungen Erwachsenen. Eine (medien-) biografische und psychotraumatologische Fallstudie. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 4(3). https://doi.org/10.17169/fqs-4.3.681
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