Es gibt keine objektive Subjektivität in der Untersuchung sozialer Interaktionen

Autor/innen

  • Tilo Weber Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-4.2.716

Schlagworte:

Epistemologie, Methodologismus, Realismus, Ethnomethodologie, Konversationsanalyse, Emanuel A. SCHEGLOFF, konversationelle Reparaturen

Abstract

Die Variante der ethnomethodologischen Konversationsanalyse, die von Emanuel A. SCHEGLOFF vertreten wird, will Diskurs in einer streng empirizistischen Weise analysieren. Dies bedeutet insbesondere, dass der Einfluss der subjektiven Vorannahmen und spezifischen Interessen des Forschers/der Forscherin im Untersuchungsprozess neutralisiert werden sollen. Der vorliegende Beitrag skizziert die Forschungsstrategie SCHEGLOFFs und charakterisiert sie als eine Form des methodischen – im Gegensatz zu einem naiven – epistemologischen Realismus. Es wird deutlich, dass dieser Ansatz die ihm gelegentlich unterstellte Zirkularität vermeidet. Sein Anspruch jedoch, soziale Interaktion "in ihrem eigenen Recht" zur Geltung zu bringen (vgl. SCHELGOFF 1997a, S.174), erweist sich als uneinlösbar. Dies wird hier in seinen praktischen Konsequenzen am Beispiel eines der klassischen Themen der Konversationsanalyse, den "konversationellen Reparaturen" (vgl. SCHEGLOFF, JEFFERSON & SACKS 1977), illustriert. Es wird gezeigt, dass das Ergebnis jeder konversationsanalytischen Datenanalyse von Vorannahmen und -entscheidungen beeinflusst ist, die die Auswahl, die Aufbereitung und die (Re-) Präsentation der Daten betreffen, ohne selbst empirisch gerechtfertigt werden zu können. Hieraus wird geschlossen, dass die Angemessenheit konversationsanalytischer Befunde viel eher von den "praktischen Zwecken" derjenigen Prozesse abhängt, die diese Befunde zu Tage fördern, als von ihrer Übereinstimmung mit dem Diskurs als einer "in sich selbst begründeten eigenen Wirklichkeit" (vgl. SCHEGLOFF 1997a, S.171). Mit dieser Schlussfolgerung wird die ethnomethodologische Einsicht in die lokale Konstruiertheit sozialen Sinns und sozialer Realität auf die Sozialwissenschaft selbst angewendet. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0302432

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Autor/innen-Biografie

Tilo Weber, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Tilo WEBER, linguist, is currently working on a book on Shared Background and Repair in German Conversation. His main research interests lie in the areas of discourse, linguistic categorization and language philosophy. He is Hochschulassistent at the Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Veröffentlicht

2003-05-31

Zitationsvorschlag

Weber, T. (2003). Es gibt keine objektive Subjektivität in der Untersuchung sozialer Interaktionen. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 4(2). https://doi.org/10.17169/fqs-4.2.716