Neue Techniken der qualitativen Gesprächsforschung: Computergestützte Transkription von Videokonferenzen

Autor/innen

  • Marc Körschen Universität Essen
  • Jessica Pohl Universität Essen
  • Walter Schmitz Universität Essen
  • Olaf A. Schulte Universität Essen

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-3.2.858

Schlagworte:

Videokonferenz, Computergestützte Transkription, Gesprächsanalyse, Transkriptionsverfahren

Abstract

Jede qualitative Gesprächsforschung muss mit einer präzisen Bestimmung der zu untersuchenden Ereignisse und Prozesse beginnen, und dieser sind dann die Verfahren der Beobachtung und Beschreibung, der Aufzeichnung und der Transkription anzupassen, und nicht umgekehrt. Für das DFG-Projekt "Audiovisuelle Fernkommunikation" an der Universität Essen, das seit Februar 2000 die Nutzung von Videokonferenzen als eine Form technisch vermittelter Kommunikation untersucht, bedeutet dies, dass für das kommunikative Ereignis "Videokonferenz" unter Berücksichtigung seiner spezifischen Merkmale – insbesondere unterschiedliche Wahrnehmungsbedingungen aufgrund der räumlichen Trennung und technisch bedingte zeitliche Verzögerungen der Gesprächsbeiträge zwischen den beiden Standorten – angemessene Mess- und Transkriptionsverfahren entwickelt werden müssen. Denn nur auf diese Weise und keineswegs schon durch die Mehrfachbetrachtung der Videoaufzeichnung wird die Kommunikation per Videokonferenz einer qualitativen Gesprächsforschung zugänglich gemacht. Vor dem Hintergrund bisher verwendeter Verfahren zur Transkription von Videokonferenzen erscheint dies um so dringlicher, als diese meist Übernahmen oder Modifikationen konventioneller Vorgehensweisen darstellen, die ihrerseits den spezifischen Merkmalen der audiovisuellen Fernkommunikation nicht gerecht zu werden vermögen. Denn durch die technische Vermittlung entstehen z.B. zwei getrennte, aber letztlich doch zusammengehörige Sequenzen kommunikativer Ereignisse. Um diesem Umstand im Transkript gerecht zu werden, bedarf es einer Synchronisation der Aufzeichnungen der an der Videokonferenz beteiligten Standorte in einem, den gesamten Kommunikationsprozess wiedergebenden Transkript; hierfür wiederum bedarf es einer Orientierung an einer objektiven Zeitleiste. Dabei erlaubt erst eine "Timeline" mit framegenauer Einteilung (1/25 Sekunden) eine detaillierte Analyse einzelner kommunikativer Besonderheiten, wie etwa der zeitlichen Verzögerung der Backchannel-Signale. Im Gegensatz dazu kann das Transkript verbaler Äußerungen weder das zeitliche Geschehen hinreichend abbilden noch als Zuordnungsleiste für die Transkription nonverbaler Elemente ausreichen. Als Vorschlag zur Lösung der genannten Probleme wird eine modifizierte und derart erweiterte Version des multimedialen Transkriptionsverfahrens ComTrans vorgestellt, das die spezifischen Merkmale der Videokonferenzkommunikation erfasst und für qualitative Analysen hinreichend umfassend abgebildet werden können. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten für die qualitative Sozialforschung, da Phänomene sichtbar werden, die zuvor lediglich als vage Eindrücke existierten, sich aber einer präzisen Bestimmung bislang entzogen. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0202198

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Autor/innen-Biografien

Marc Körschen, Universität Essen

Marc KOERSCHEN, geb. 1971; Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Essen, seit 2001 studentischer Mitarbeiter im DFG-Projekt "Technisch basierte audiovisuelle Fernkommunikation" an der Universität Essen. Arbeitsschwerpunkte: Interpersonelle Kommunikation, technisch vermittelte Kommunikation, Gesprächsanalyse.

Jessica Pohl, Universität Essen

Jessica POHL, geb. 1972; Ausbildung zur Vermessungstechnikerin, Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Essen, seit 2000 studentische Mitarbeiterin im DFG-Projekt "Technisch basierte audiovisuelle Fernkommunikation" an der Universität Essen. Arbeitsschwerpunkte: Technisch vermittelte Kommunikation, Gesprächsanalyse.

Walter Schmitz, Universität Essen

Prof. Dr. H. Walter SCHMITZ, geb. 1948; 1977 Promotion zum Dr. phil. im Fach "Kommunikationsforschung und Phonetik", 1987 Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn im Fach "Kommunikationsforschung", seit 1992 Universitätsprofessor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Essen. Arbeitsschwerpunkte: Ethnographie der Kommunikation, Kommunikation in Institutionen, Gesprächsanalyse, Historiographie der Semiotik, der Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Theorie und Geschichte der Signifik, Kommunikationssemantik und Kommunikationstheorie.

Olaf A. Schulte, Universität Essen

Olaf A. SCHULTE, M.A., geb. 1968; Ausbildung zum Dipl.-Betriebswirt (BA), Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, seit 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt "Technisch basierte audiovisuelle Fernkommunikation" an der Universität Essen. Arbeitsschwerpunkte: Technisch vermittelte Kommunikation, CMC, Kommunikationstechnologie, Teleteaching.

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Veröffentlicht

2002-05-31

Zitationsvorschlag

Körschen, M., Pohl, J., Schmitz, W., & Schulte, O. A. (2002). Neue Techniken der qualitativen Gesprächsforschung: Computergestützte Transkription von Videokonferenzen. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 3(2). https://doi.org/10.17169/fqs-3.2.858