Review: Dorothée Ninck Gbeassor, Heidi Schär Sall, David Signer, Daniel Stutz & Elena Wertli (1999). Überlebenskunst in Übergangswelten: ethnopsychologische Betreuung von Asylsuchenden
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-3.2.872Schlagworte:
Ethnopsychologie, Migration, Asyl, Supervision, Übergangsräume, ÜbergangsphänomeneAbstract
Das vorliegende Buch ist das erste von bisher zwei erschienenen Büchern des Ethnologisch-Psychologischen Zentrums in Zürich. In der Einrichtung der Asyl-Organisation für den Kanton Zürich finden Asylsuchende in schweren Krisen stationäre oder ambulante Betreuung. Die Flüchtlinge, die hierher kommen, sind dem Krieg, der Folter und/oder dem Gefängnis in der einstigen Heimat physisch entkommen. Die Migration und allmähliche Ankunft im kulturell und sozial Neuen stellt für sie jedoch eine Überforderung dar. Sie sind psychisch erkrankt und können ohne Unterstützung den Alltag kaum bewältigen. In den drei Häusern der Organisation, den so genannten Foyers finden die Asylsuchenden Aufnahme und treffen mit einem fünfköpfigen Betreuungsteam zusammen, dass sich der Migrationsituation des Einzelnen durch Ansätze aus der Ethnologie sowie Psychologie versucht zu nähern. Die Mitarbeiter haben dabei eine Arbeitsweise entwickelt, die nicht allein für die Schweiz sondern wohl auch für Deutschland Modell- und Pioniercharakter besitzt. David SIGNER beschäftigt sich in seinem Artikel mit "typischen" Konflikten und Interaktionsmuster, die im Foyeralltag auftreten. Der Autor verweist hier auf die Notwendigkeit, offen für unterschiedliche Wahrnehmungen und Kommunikation zu bleiben und benennt er die "Fallen", in die die Betreuenden bei der täglichen Arbeit oft tappen. Elena WERTLI wendet sich in ihrem Artikel Asylsuchenden mit suizidalen Krisen. Anhand von Beispielen macht sie deutlich, dass nicht die schnelle Intervention sondern die Aufrechterhaltung des Dialogs zum zentralsten Hilfsangebot für Menschen in Extremsituationen werden kann. Im Mittelpunkt von Daniel STUTZ' Artikel steht die kurdische Familie Yilmaz. Auf der Grundlage von lebensgeschichtlichen Gesprächen mit dem Ehepaar rekonstruiert der Autor dessen individuelle(n) Vergangenheit(en) und deutet die heutigen Krankheitsprobleme der Familie als Schwierigkeit im Umgang mit dem "Fremden" im neuen Land. Heidi SCHÄR SALL diskutiert in ihrem Text die Institutionalisierung von "Übergangs- und Spielräumen" in der Betreuung von MigrantInnen und beschreibt so das "Herz" des angewandten Methodenrepertoires im Ethnologisch-Psychologischen Zentrum. Die Autorin verweist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr der "Kuturalisierung" der Verhaltens- und Anschauungsweisen von MigrantInnen. Trotz dieses Hinweises nimmt die Autorin selbst romantisierende Zuschreibungen kultureller Besonderheiten vor. Dorothée NINCK GBEASSOR schließlich richtet ihr Augenmerk auf die Probleme der Kinder von Familien im Exil, wo mindestens ein Elternteil psychisch erkrankt ist. Der Beitrag besticht durch die Sensibilität, mit der die Schwierigkeit des "Eingreifens" von Außen geschildert und analysiert wird. Die Autorin folgt jedoch in ihrer Interpretation und der Zuschreibung einer "Roma-Identität" einem stark ethnisierendem Ansatz. URN: urn:nbn:de:0114-fqs020225Downloads
Keine Nutzungsdaten vorhanden.
Veröffentlicht
2002-05-31
Zitationsvorschlag
Hegner, V. (2002). Review: Dorothée Ninck Gbeassor, Heidi Schär Sall, David Signer, Daniel Stutz & Elena Wertli (1999). Überlebenskunst in Übergangswelten: ethnopsychologische Betreuung von Asylsuchenden. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 3(2). https://doi.org/10.17169/fqs-3.2.872
Ausgabe
Rubrik
FQS-Reviews
Lizenz
Copyright (c) 2002 Victoria Hegner
Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.