Geschichtsbewusstsein im Jugendalter. Theoretische und exemplarische empirische Analysen
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-2.3.904Schlagworte:
Geschichte, Historie, Geschichtsbewusstsein, historisches Bewusstsein, Identität, Weltbild, Moderne, Geschichtsdidaktik, Kulturpsychologie, Jugendalter, kognitive Entwicklung, qualitative Forschung, GruppendiskussionAbstract
Zunächst wird die These, Geschichtsbewusstsein sei eine anthropologische Kompetenz und Kategorie, auf den Prüfstand gestellt. Dabei wird ein Konzept modernen historischen Bewusstseins skizziert, das fortan als Arbeitsbegriff dient. Dieses Bewusstsein, so wird dargelegt, ist kein universeller anthropologischer Tatbestand, sondern ein Resultat der Entwicklung okzidentaler Kulturen und Gesellschaften. Von dieser Entwicklung, in der nicht zuletzt die Durchsetzung eines wissenschaftlichen Weltbildes und methodischen Denkens eine wesentliche Rolle spielte, sind längst eine Vielzahl von Gruppen und Individuen zutiefst geprägt. Deren Geschichtsbewusstsein ist modern, insofern es sich auf eine radikal temporalisierte und dynamisierte Welt bezieht und partielle Repräsentationen dieser Welt (implizit) an argumentative Geltungsansprüche bindet. Außerdem ist es eng mit der Möglichkeit selbstkritischer Reflexionen verbunden, die in der historisch vermittelten Begegnung mit Fremdem verwurzelt sind. Nach einem gerafften Überblick über wichtige Fragestellungen und den Stand der Forschung in verschiedenen Disziplinen werden erste, ausgewählte Ergebnisse einer umfassenderen, qualitativ-empirischen Studie vorgestellt. In den durchgeführten und analysierten Gruppendiskussionen mit Jugendlichen – hier speziell: dreizehn bis vierzehnjährigen Gymnasiasten – finden sich deutliche Indikatoren eines spezifisch modernen Geschichtsbewusstseins. Dieses Bewusstsein ist bei näherer Betrachtung in einem doch erstaunlichen Ausmaß wissenschaftlich-methodischen Rationalitätsstandards verpflichtet. Man mag dies als geglückte Implementation einer vernunftorientierten Lebensform in den Alltag von Jugendlichen begrüßen oder als Ausdruck einer Überformung pragmatischer Handlungs- und Lebensorientierungen durch szientifische Standards beklagen: fest steht erst einmal, dass die Verpflichtung, die Rekonstruktion vergangener Wirklichkeiten und geschichtlicher Geschehnisse und Zusammenhänge als intersubjektiv nachvollziehbare und rational begründbare Erkenntnisoperation auszuweisen und zu reflektieren, bei den von uns untersuchten Jugendlichen stark ausgeprägt ist. Ihr Denken weist sich auch in anderen Hinsichten als spezifisch "modern" aus. Dieser Befund wird – neben der Darstellung inhaltlicher Geschichtskenntnisse und Interessen der Jugendlichen – ausführlich dargelegt. Abschließend wird erörtert, inwiefern sich die zentralen Ergebnisse als Korrektur gegen die verbreitete Klage über ein angeblich defizitäres Geschichtsbewusstsein von Schülern verstehen lassen. URN: urn:nbn:de:0114-fqs010397Downloads
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2001-09-30
Zitationsvorschlag
Kölbl, C., & Straub, J. (2001). Geschichtsbewusstsein im Jugendalter. Theoretische und exemplarische empirische Analysen. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 2(3). https://doi.org/10.17169/fqs-2.3.904
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Copyright (c) 2001 Carlos Kölbl, Jürgen Straub
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