Konstruktivistischer Realismus: Eine gemeinsame Ontologie positivistischer und konstruktivistischer Ansätze in den Sozialwissenschaften

Autor/innen

  • Gerald Cupchik University of Toronto

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-2.1.968

Schlagworte:

qualitative Methoden, quantitative Methoden, Konstruktivismus, Konstruktionismus, Phänomene, Prozessanalyse, Positivismus

Abstract

Es heißt, dass positivistische und konstruktivistische Ontologien unvereinbar sind. LINCOLN und GUBA (2000) zufolge ist mit einem positivistischen "naiven Realismus" die Position verbunden, dass die Realität sowohl "real" als auch "erkennbar" ist; im Konstruktivismus wird dagegen die Meinung vertreten, dass Bedeutung von Individuen und von Gruppen erst geschaffen wird. Diese Analyse impliziert, dass die quantitative und die qualitative Methodologie, wie sie jeweils mit dem Positivismus sowie dem Konstruktivismus assoziiert sind, ebenfalls als unvereinbar gelten müssen. In dem vorliegenden Beitrag wird der konstruktivistische Realismus als eine alternative Ontologie vorgeschlagen, die sowohl Positivismus als auch Konstruktivismus sowie den damit verbundenen methodischen Zugängen Rechnung zu tragen vermag. Der erste Schritt besteht darin, eine soziale Welt (oder soziale Welten) anzuerkennen, wie sie sich im natürlichen Alltagsleben spiegelt, unabhängig von sowohl positivistischen als auch konstruktivistischen Ontologien und diesen vorausgehend – daher die Bezeichnung Realismus. Phänomene werden dabei als Prozesse verstanden, die sich über die physikalische, soziale und persönliche Welt des Selbst hinweg erstrecken. Qualitative sowie quantitative Forscher/innen befassen sich mit diesen Phänomenen; sie erstellen jeweils entweder reiche Beschreibungen oder aber präzise Analysen funktionaler Beziehungen. Ich gehe hier von der Annahme aus, dass beide Ansätze forschungspraktisch mit dem Problem der Datenkonstruktion konfrontiert sind und als Folge potenziellen Verzerrungen ausgesetzt sind. Während die Beschreibung traditionell der Hypothesentestung vorgeordnet ist (d.h. Naturgeschichte geht der Hypothesentestung voraus), werden die beiden Ansätze hier als komplementär und als parallel angesehen. Qualitative Methoden bieten eine Tiefenbeschreibung zugrunde liegender Prozesse und können entsprechend dazu beitragen, Hypothesen zur Testung spezifischer funktionaler Beziehungen zu erstellen. Empirische Befunde, die sich auf Prozesse beziehen, können dagegen den Blick auf Gegenstandsbereiche lenken, die von einer detaillierten deskriptiven Analyse profitieren würden. URN: urn:nbn:de:0114-fqs010177

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Autor/innen-Biografie

Gerald Cupchik, University of Toronto

Gerald CUPCHIK is professor of psychology at the University of Toronto where he has taught since 1972. Grammar school talmudic studies led to an interest in meaning and the metaphorical nature of language. He studied sociology, psychology, and art history at the University of Michigan (B.A., 1967), conducting research in experimental social psychology under the supervision of Robert ZAJONC. His graduate training with Howard LEVENTHAL at the University of Wisconsin focused on emotional processes in humor (M.A. 1972) and the nonverbal communication of emotion (Ph.D. 1974). Research in experimental aesthetics was conducted during a postdoctoral stay with Daniel BERLYNE (1972-74) at the University of Toronto. Qualitative and quantitative research strategies have recently been used in a complementary way to study a wide range of topics, ranging from the emotion-evoking potency of odours, to reactions to sculptures, paintings, and magazine photos, as well as the phenomenology of absorption in reading.

Veröffentlicht

2001-02-28

Zitationsvorschlag

Cupchik, G. (2001). Konstruktivistischer Realismus: Eine gemeinsame Ontologie positivistischer und konstruktivistischer Ansätze in den Sozialwissenschaften. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 2(1). https://doi.org/10.17169/fqs-2.1.968

Ausgabe

Rubrik

Die Verbindung qualitativer und quantitativer Methoden: Forschungslogik